Ich habe Mitte September 2018 anlässlich einer Bergwanderung in den Walliser Alpen südseitig des Simplonpasses an der Furgga, dem Übergang vom Haupttal ins Zwischbergental, Nacktschnecken fotografiert, die ich bis heute nicht wirklich einer Art zuzuordnen vermag.
Vom äusseren Erscheinungsbild her (Aussehen, Länge, Sohle, Schleimbildung bei Reizung) müsste es sich um einen Vertreter der Gattung Lehmannia handeln. Von den beiden mir bekannten, in der Schweiz vorkommenden Arten kann vom Aussehen her Lehmannia marginata eigentlich ausgeschlossen werden. Zur zweiten Art Lehmannia rupicola sind mir fast keine Informationen bekannt. Verglichen mit den wenigen verfügbaren Aufnahmen und Fakten passt aus meiner Sicht aber das äussere Erscheinungsbild auch hier nicht wirklich. Zudem ist Lehmannia rupicola meines Wissens südseitig des Simplons bisher nicht nachgewiesen.
Nachfolgend die Eckdaten zum Tier:
Horizontale Verbreitung: Die Tiere wurden in den Walliser Alpen südlich des Simplonpasses im Kammverlauf zwischen der Gondoschlucht und dem Zwischbergental gefunden. Zur weiteren Verbreitung liegen keine Fakten vor. Vertikale Verbreitung: Die Tiere wurden in Höhenlagen zwischen 1800 und 1900 m gefunden. In tieferen Lagen der Nordwestseite des Gebiets waren am betreffenden Tag keine Tiere auffindbar, was aber nicht unbedingt aussagekräftig sein muss. Lebensräume: Die Tiere wurden im Nadel-Mischwald sowie in Waldnähe auf mit Bäumen überstandener Alpweide gefunden. Merkmale: Das grösste aufgefundene Exemplar weist eine Körperlänge von 80 mm aus. Die Körperfarbe ist von hellem Grundton, es wurden Exemplare in orange, braun und gräulich-schwarz festgestellt. Die Körper weisen keinerlei Zeichnung oder Bänder auf. Der Mantelschild ist in Körperfarbe gehalten, er kann gleich hell oder heller sein als der Körper. Das Schwanzende ist deutlich gekielt und dachartig abgeschrägt. Der Kiel ist in Körperfarbe gehalten und beschränkt sich auf das Körperende. Zum Mantelschild hin ist keinerlei Verlängerung erkenntlich. Die Sohle ist einfarbig und hat eine weissliche bis gelbliche Färbung. Der Schleim ist bei Reizung wässrig. Lebensweise: Die Tiere wurden tagsüber im Schutz von Totholz ruhend gefunden. Nahrung, Paarung, Ei- und Schneckenstadium: Hierzu liegen keine Fakten vor. Lebenserwartung: Mitte September wurden heranwachsende Exemplare von 60 mm sowie vermutlich ausgewachsene Exemplare von 80 mm Körperlänge gefunden, was auf einen mindestens zweijährigen Lebenszyklus schliessen lässt.
Die Aufnahmen habe ich anfangs Jahr bereits dem Team von schneckenchecken.ch vorgelegt. Es ist ebenfalls einmal angedacht, im Verlaufe dieses Jahres das Gebiet nochmals aufzusuchen, um Exemplare an das Naturhistorische Museum in Bern zwecks weiterer Abklärungen zu liefern.
Da ich kein eigentlicher Schneckenspezialist bin und mich eher aus der fotografischen Warte für diese Tiere interessiere, meine Frage an Euch: Hat jemand weitere Ideen, Anmerkungen, Hinweise, usw., die zur Klärung der Artzugehörigkeit dieser Schnecken beitragen könnten? Falls jemand auf der Südseite des Simplons unterwegs ist, wäre es interessant zu wissen, ob sich diese Tiere allenfalls auch an anderen Standorten feststellen lassen.
Besten Dank im voraus für Eure Mithilfe. Hanspeter Willi|addpics|ton-1-757c.jpg,ton-2-1762.jpg,ton-3-ec24.jpg,ton-4-240f.jpg,ton-5-5752.jpg,ton-6-f3d3.jpg,ton-7-4d53.jpg,ton-8-ffe4.jpg,ton-9-a594.jpg|/addpics|
Lieber Hanspeter Willi,
bei den an der Furgga gefundenen Nacktschnecken handelt es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht wie vermutet um Vertreter der Gattung Lehmannia, sondern um jüngere Tiere aus der Gattung Limax. Siehe die teilweise sehr prominente Entwicklung des Kiels, was in dieser Ausprägung von keiner Art der Gattung Lehmannia bekannt ist. Wässriger Schleim wird häufig als Bestimmungskriterium für Lehmannia genannt, kommt aber auch bei juvenilen Limax spp. vor. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass sich in den von Ihnen gefundenen Tieren 2 Arten verbergen. Die Unterschiede in der Ausprägung des Kiels sind recht markant.
Grundsätzlich sind Jungtiere nach Fotos fast nie sicher bestimmbar. Das gilt auch wenn Sie junge Tiere sammeln, denn dann müssten sie erst einmal bis zum Erreichen der Geschlechtsreife aufgezogen werden, was durchaus 1-1,5 Jahre dauern kann.
Das Adultstadium einer Limacide ist gekennzeichnet durch das Erscheinen des Genitalporus und dessen Öffnung hinter dem rechten Ommatophor. Solange dieser nicht sichtbar und offen ist, ist weder das Wachstum abgeschlossen, noch die Geschlechtsreife erlangt, also auch die für die Bestimmung unverzichtbaren Geschlechtsorgane noch nicht voll entwickelt. Sollten Sie das Gebiet wieder begehen, dann sammeln Sie bitte unbedingt mehrere Exemplare und bringen Sie diese lebend mit. Achtung: alle Nacktschnecken vertragen Temperaturen über 20°C nicht, weshalb sie beim Transport gekühlt werden müssen! Eine PET-Flasche voll kaltem Wasser reicht gewöhnlich aus.
Da die Verbreitung von Nacktschnecken im Alpenraum insgesamt noch sehr unzureichend dokumentiert ist und die meisten Bestimmungen nur nach (fragwürdigen!) Exterieur Merkmalen vorgenommen wurden, nehmen wir sorgsam gesammelte und transportierte Belege sehr gerne entgegen.
Wenn Sie sich für weitere Informationen interessieren, bitte nehmen Sie mit mir Kontakt auf.
u.schneppat@gmail.com
Ganz herzliche Grüsse
Ulrich E. Schneppat
Vorerst einmal herzlichen Dank für die hochinteressanten und äusserst hilfreichen Ausführungen. Sie sind mir ein weiteres Puzzleteil beim Abarbeiten dieser seit längerer Zeit offenen, fotografischen Schnecken-Baustelle.
Da meine Eltern den Sommer im Wallis verbringen, bin ich immer mal wieder in der betreffenden Gegend. Ich werde voraussichtlich im Juni/Juli an einem feuchteren Abend einmal eine erste Wanderung hoch zur Furgga unternehmen und einsammeln, was mir da so an interessanten grösseren Exemplaren über den Weg kriecht.